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03.12.3200 / Miriam, Neubert (Redaktionsteam Engagierte Stadt)
Man kann beispielsweise Deutscher sein, eine türkische Migrantionsbiografie haben, zur Technoszene gehören und zur Gruppe der Golf-Fans, zur Berufsgruppe der IT- Spezialisten und zu den Absolventen eines Jura-Studienganges…
…wir alle sind einzigartig in der Zusammensetzung verschiedener Zugehörigkeiten.
Kulturelle Unterschiede
Es gibt zahlreiche Situationen, in denen wir kulturellen Unterschieden gegenüberstehen. In dem Buch „Fernreise daheim“ beleuchtet Brigitte Heidebrecht das Ankommen von Geflüchteten in unserer Gesellschaft. Lebendig und mit jeder Menge Empathie und Humor vermittelt das Buch interkulturelle Aha-Erlebnisse.
Drei Beispiele kultureller Unterschiede:
1. der Umgang mit Zeit
Jeder kennt womöglich eine Situation, in der ein Termin für ein Treffen vereinbart wird und man letztendlich ewig auf die andere Person warten muss. Unpünktlichkeit ist womöglich eine Charaktereigenschaft, kann aber auch auf die Kultur des Gegenübers zurückzuführen sein. Einige haben eine lineare und sehr strukturierte Zeitplanung. In anderen Kulturen bieten Deadlines und Termine lediglich einen Orientierungsrahmen. Uhrzeiten dienen ebenso einer groben Orientierung, wodurch Pünktlichkeit eine eher weniger wichtige Rolle spielt.
2. der Umgang mit Nähe und Distanz
Was mal klar ist: in Deutschland schüttelt man Hände
Die Art und Weise ob und wie man Emotionen zeigt, ist ebenfalls kulturell geprägt. In manchen Kulturen begrüßt man sich umfangreich, nimmt sich in den Arm und gibt ein Küsschen links und rechts. Die Gefühle werden direkt, verbal und nonverbal ausgedrückt. In anderen Kulturen hingegen ist ein berührungsloses Hallo gang und gebe. Ein spontaner Gefühlsausbruch wäre ein Zeichen von Schwäche.
3. Kollektivismus/Individualismus
In einigen Kulturen ist das sogenannte WIR-Gefühl besonders ausgeprägt. Das Leben in der Großfamilie spielt eine wichtige Rolle und die eigene Identität wird in sozialen Netzwerken begründet. Beziehungen sind sehr wichtig. Familiäre Metaphern sind in diesen Ländern deutlich häufiger vertreten.
In anderen Kulturen gilt vor allem die Sorge um sich selbst und die Kernfamilie. Die eigene Identität findet jeder in sich selbst und man ist für sich selbst verantwortlich.
Herausforderungen
Der Rückgriff auf die Erklärung von Differenzen als „kulturelle Unterscheide“ kann sinnvoll sein, kann aber auch stereotypisierend sein. Nicht jeder Mensch gleicht dem anderen.
Das Bewusstsein für Vielfalt und die Anerkennung von Vielfalt gehören heute noch nicht zur gesellschaftlichen Normalität. Das Miteinander, beispielsweise der Religionen pendelt häufig zwischen Ausgrenzung und einer falsch verstandenen Toleranz. Die entstandene Zugehörigkeitsunsicherheit kann unter anderem dazu führen, dass insbesondere junge Muslime ihre Religion als Abgrenzungsmerkmal unterstreichen.
Werte, beispielsweise Respekt vor dem Alter, Religion, Gastfreundschaft, Pünktlichkeit und Gehorsam dienen oft als zentrale Orientierung. Die große Unterschiedlichkeit der Wertehierarchien verschiedener Länder ist nicht selten eine Ursache für große Differenzen und Missverständnissen.
Anregungen
Das Wissen, dass andere „Normalitäten“ anders sein können, aber nicht müssen, ist zentral. Oft projizieren wir dennoch unsere eigenen Perspektiven auf unsere Mitmenschen. Wir sollten stattdessen das Denken und Handeln unseres Gegenübers hinterfragen und mit ihm in Austausch treten.
Ein gesellschaftlicher Lernprozess ist in Gang getreten und die Bereitschaft aufeinander zuzugehen wächst. Damit auch die Bereitschaft eine Verbindung zwischen Einwandererkultur und der Kultur der Mehrheitsbevölkerung zuzulassen. Respekt, Anerkennung und Akzeptanz spielt im Umgang miteinander eine entscheidende Rolle.
Aufgrund unserer Erfahrungen, Annahmen und unseres vermeidlichen Wissens denken wir meist in sogenannten Schubladen und können so keine neutrale und offene Haltung einnehmen.
Bei Unsicherheiten über kulturelle Hintergründe, Werte und Normen ist deswegen eine Haltung des Nicht-Wissens hilfreich. In einem Gespräch sollten erst einmal Gemeinsamkeiten, geteilte Wertigkeiten und vor allem eine Begegnung als Mensch (anstatt Vertreter einer Kultur X) herausgearbeitet werden, um eine Basis herzustellen, Unterschiedliches konstruktiv anzugehen.
Erst wer sich auf gleicher Ebene befindet, kann sich auf Augenhöhe begegnen und eine Beziehung aufbauen. Das Gefühl gesehen und angenommen zu werden, spielt bei der Entwicklung gemeinsamer Projekte eine entscheidende und wichtige Rolle.
Eine interkulturelle Öffnung ist nur möglich, wenn man kulturelle Unterschiede erkennt UND versteht. Diese Öffnung steht für kulturelle Vielfalt in den Strukturen und der Handlungspraxis einer Organisation oder einer Einrichtung und zielt auf den Abbau von etwaigen Zugangsbarrieren für Menschen mit Migrationsbiografie ab.