Blog
01.02.2023 / Ines Igney
2012 öffnete die „Lebensschule“ in der Bautzner Straße für Begegnungen im Stadtteil. Es gab Sport und Geselligkeit für Nachbarn, die sich sonst kaum kannten. Drei Jahre später begann ein neues Kapitel für die kleine Einrichtung, die zur nebenan gelegenen Kirche der Adventgemeinde gehört: In Görlitz kamen immer mehr Geflüchtete an und Heike Gelke, die Leiterin der Lebensschule, hieß sie in den Räumen willkommen. „Wir wollten Hilfe zur Selbsthilfe geben“, erinnert sie sich an ihr Anliegen in der turbulenten Anfangszeit.
Sie fand Ehrenamtliche, die sie unterstützten, vor allem bei Sprachkursen für Anfänger, für Ältere und für Mütter mit Kindern. Eine der Freiwilligen und ihre Geschichte blieb ihr besonders im Gedächtnis.
Die damals 19-jährige Henriette steckte 2016 gerade in ihren Abiturvorbereitungen. „Nebenbei“ kam sie jeden Dienstag nach der Schule zur Lebensschule geradelt und gab Sprachkurse. Zu den vielen jugendlichen Geflüchteten und deren Familien hatte sie einen guten Draht und half, ihnen ein wenig Normalität in den Alltag zu bringen. Sie organisierte neben den Sprachkursen auch Ausflüge mit, etwa auf den Weihnachtsmarkt und zum Schlittschuhlaufen.
Fremde Kulturen hatte sie schon immer kennen lernen wollen und Menschen helfen wollte sie auch, erzählt die junge Frau jetzt, sechs Jahre später, über ihren damaligen Einsatz.
Irgendwann wurde für die Görlitzerin mehr daraus: Henriette und einer der Jugendlichen verliebten sich. Puh! Leicht war das für die beiden nicht: Familie, Freunde, Sprache, Behörden - es gab viele Stolpersteine, die sie gemeinsam meisterten. „Wir ähneln uns sehr in unserem Wesen, sind beide zurückhaltend, aber ehrgeizig“, erzählt Henriette, die seit kurzem mit Nachnamen Rustami heißt. Diese Eigenschaften verbanden die beiden und sie hielten trotz vieler Widerstände zusammen. Sie machten eine Ausbildung - sie zur Krankenschwester, er zum Kaufmann im Einzelhandel -, zogen in eine kleine Wohnung, sind inzwischen fest angestellt und verheiratet.
„Die Geschichte seiner Flucht hat mich bescheiden gemacht“, erzählt die junge Frau. Sie möchte immer noch gern in die Welt reisen, aber weiß auch ihr Glück Zuhause zu schätzen. Freunde und Familie sind mit der Beziehung längst versöhnt und auch der Bürokratie konnten die beiden gemeinsam standhalten. „Ich bin sehr dankbar für alle seine Hilfe, wir unterstützen uns gegenseitig“, sagt Henriette Rustami über ihren gemeinsamen Weg.
In der Lebensschule geht die Hilfe derweil weiter: Neben Sprachkursen und Alltagsunterstützung wird auch gemeinsam gefeiert und gekocht und getanzt, je nach Anlass. „Wir lernen und leben mit den Menschen“, sagt Heike Gelke über ihr langjähriges Tun. Helfer sind weiterhin jederzeit willkommen.
Das Projekt wird mitfinanziert durch Steuermittel des sächsischen Haushalts.
Treff:
Begegnungscafé
immer dienstags, 16-18 Uhr.
Kontakt:
Lebensschule des AWW e.V.
(Advent-Wohlfahrtswerk e.V.),
Helferkreis „Hand und Fuß“
Bautzner Str. 20
02826 Görlitz
Foto: Heike Gelke